Kälbergesundheit: Tränkemanagement bei durchfallerkrankten Kälbern

March 22, 2017

Was tun, wenn das Kalb an Durchfall erkrankt ist? Diese Frage kommt immer wieder auf. Um unter den zahlreich erhältlichen Mitteln das geeignete zu finden muss zunächst einmal deren Funktion geklärt werden. Im heutigen Teil unserer Serie klären wir die Möglichkeiten und Funktionen von Milch- Elektrolyt- und Wassertränken.

 

1. Inhaltsstoffe von Elektrolyttränken

Elektrolyttränken sollen das Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Energiedefizit sowie die Azidose durchfallkranker Kälber beheben. Dazu sollten in Elektrolyttränken folgende Inhaltsstoffe enthalten sein: (1) Elektrolyte (Na+, K+, Cl-), (2) Energiesubstrate, wie Glukose, und (3) Puffer. Die wichtigsten Substanzen, die als Puffer eingesetzt werden, sind Bikarbonat, Acetat, Propionat und Citrat. Wie viel von den entscheidenden Inhaltsstoffen in den Tränken enthalten sein soll sehen Sie in Tabelle 1.

 

Empfohlene Konzentrationen von Elektrolyten, Glucose und Puffern
Inhaltsstoff Empfohlene Konzentration (mmol/l)
Natrium (Na+) 80-140 mmol/l
Kalium (K+) 10-30 mmol/l
Chlorid (Cl-) 40-70 mmol/l
Glucose 150-200 mmol/l
Puffer 50-80 mmol/l

Häufig ist der Gehalt an Puffersubstanzen nicht deklariert. Eine Einschätzung der alkalisierenden Eigenschaften einer Elektrolyttränke kann auch durch die Berechnung der sogenannten strong ion difference (SID) erfolgen: SID = Na+ in mmol/l + K+ in mmol/l – Cl- in mmol/l. Die SID sollte mindestens 50-80 mmol/l betragen. Die besten Erfolge in der Bekämpfung der Azidose der durchfallkranken Kälber werden mit Tränken erzielt, die eine SID von >80 mmol/l aufweisen.
Neben den oben angeführten, unbedingt notwendigen Inhaltsstoffen weisen viele im Handel verfügbare Elektrolytprodukte noch weitere Inhaltsstoffe auf, von denen man sich positive Wirkungen verspricht. Die enthaltenen Substanzen können folgenden Gruppen zugeordnet werden:

 

  1. Quell- und schleimbildende Substanzen, wie Reisschleim, Flohsamen, Pektine/Propektine oder Bananenflocken,
  2. Prä- und Probiotika,
  3. Heilpflanzenextrakte, z.B. Anis, Fenchel, Kümmel oder Kamille,
  4. Absorbenzien, z.B. medizinische Kohle, Kaoline, Zeolithe
  5. Adstringenzien, wie Tannine, Gerbsäuren, Mineralsalze.

 

Diesen Substanzen werden u.a. schleimhautschützende, wasser- und toxinbindende oder entzündungshemmende Eigenschaften zugeschrieben. Allerdings ist der Nutzen dieser Substanzen bisher nicht ausreichend wissenschaftlich an Kälbern untersucht und kann deshalb nicht empfohlen werden. Das wichtigste Ziel der Gabe von Elektrolyttränken ist der Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten. Ein Zusatznutzen, der vor allem auf die Darmschleimhaut wirken soll, ist nicht nötig, da es sich bei Darmepithel um ein hochregeneratives Gewebe handelt. Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Inhaltsstoffe auch schädliche Wirkungen entfalten, sind einfache Elektrolyttränken, die nur Elektrolyte, Glucose und Puffer enthalten, komplexen Tränken vorzuziehen.

Bis vor einigen Jahren wurde den Landwirten geraten, ihren durchfallkranken Kälbern keine Milch zu geben. Man ging davon aus, dass durch die Krankheit die Verdauung der Milch nicht möglich sei und die Milchtränke den Durchfall verstärken könnte. Ein Problem des längerfristigen Milchentzugs ist die verminderte Energiezufuhr, die zur Abmagerung der kranken Tiere führt. Gerade kranke Tiere haben einen hohen Energiebedarf. Aus energetischer Sicht müsste ein Kalb 10 Liter einer Elektrolyttränke trinken, um die Energiemenge aufzunehmen, die in einem Liter Milch enthalten ist. In vielen Studien konnte belegt werden, dass die unverminderte Gabe von Milch in Kombination mit der Verabreichung von Elektrolyttränke keine negativen Effekte auf den Krankheitsverlauf von durchfallkranken Kälbern hat. Wird die Milchtränke nicht unterbrochen, nehmen die Tiere auch während der Erkrankung weiterhin zu. Deswegen wird heute allgemein empfohlen, die Milchtränke beim durchfallkranken Kalb beizubehalten.

Bei unveränderter Fütterung der durchfallkranken Kälber mit Milch ergibt sich die Frage, ob die Elektrolyttränke gleichzeitig oder zeitlich versetzt zur Milchtränke gegeben werden sollte. Lange Zeit wurde vermutet, dass die gleichzeitige Gabe von Elektrolyttränke und Milch die Labgerinnung im Labmagen der Kälber stören könnte, wodurch die Durchfallsymptomatik verstärkt würde. Dies wurde angenommen, da vor allem bikarbonat- und citrathaltige Elektrolyttränken die Milchgerinnung im Reagenzglas verhindern. In einer eigenen und einer Untersuchung aus den USA konnten keine negativen Effekte bei gleichzeitiger Gabe von Milch/Milchaustauscher und acetat-, propionat-, bikarbonat- sowie citrathaltigen Elektrolyttränke auf die Milchgerinnung im Labmagen gesunder Kälber nachgewiesen werden. Neueste Untersuchungen zur Milchgerinnung im Labmagen von durchfallkranken Kälbern konnten keine Störung der Labgerinnung bei gleichzeitiger Gabe von Elektrolyttränken und Milch nachweisen.

3. Elektrolyttränken bei Kälberdurchfall: Was? Wann? Wieviel?

Elektrolyttränken sollten zeitnah zum Auftreten erster Symptome der Diarrhoe verabreicht werden. Der Gesamtbedarf an Flüssigkeit setzt sich aus dem Grundbedarf (10 % der Körpermasse), dem aktuellen Volumendefizit und den fortlaufenden Flüssigkeitsverlusten zusammen. Der tägliche Grundbedarf an Flüssigkeit sollte durch die Milchtränke abgedeckt werden. Das aktuelle Flüssigkeits- und Elektrolytdefizit sowie die laufenden Verluste müssen durch zusätzliche Gaben von Flüssigkeit und Elektrolyten ersetzt werden.

Um ihren Energiebedarf zu decken, benötigen gesunde Kälber im ersten Lebensmonat mindestens 7,3 Liter Vollmilch  (bzw. Milchaustauscher mit 2,51 MJ ME/L) pro Tag. Ein krankes Kalb hat einen höheren Energiebedarf als ein gesundes, benötigt demzufolge mehr als 7,3 Liter Vollmilch. Eine hohe Milchaufnahme von Kälbern ist anzustreben, diese wirkt sich positiv auf die Körpermasseentwicklung sowohl bei gesunden, als auch bei kranken Kälbern aus. Zu diesem Zwecke wird die Milch am besten ad libitum verabreicht.

Die Fütterung hoher Milchmengen allein reicht allerdings nicht aus, um die Elektrolytverluste der durchfallkranken Kälber auszugleichen. Jedes durchfallkranke Kalb sollte mit einer Elektrolyttränke mit den empfohlenen Konzentrationen an Elektrolyten, Glucose und Puffersubstanzen (s. Tabelle 2) versorgt werden. Ein Kalb mit Diarrhoe verliert zwischen 6 und 10 Litern Flüssigkeit täglich, d. h. 6-10 Liter Elektrolyttränke sollten innerhalb von 24 Stunden an die kranken Kälber vertränkt werden. Ob nun exakt 7 oder 10 Liter gegeben werden müssen, ist nebensächlich. Wichtiger ist, dass die Kälber unverzüglich Elektrolyttränke bekommen und dass sie diese bis zum Abklingen der Erkrankung in adäquater Menge (mind. 6 Liter) erhalten. Anhand der aktuellen Untersuchungen bestehen keine Bedenken das Elektrolytpulver/-gel in der Milchtränke direkt zuzubereiten. Die Elektrolytzubereitung kann in der gleichen Menge in Milch eingerührt werden, wie es für die Zubereitung in Wasser vorgesehen ist. Der Vorteil der Gabe von Elektrolyten über die Milchtränke ist, dass die Kälber – wenn sie rationiert gefüttert werden – an Zeiten und Mengen der Milchtränke gewöhnt sind und nicht lernen müssen zusätzlich zur Milchmahlzeit wasserbasierte Elektrolyttränke aufzunehmen. Allerdings ist bei der Gabe von Elektrolyten über die Milchtränke sicher zu stellen, dass die Kälber jederzeit freien Zugang zu Wasser haben müssen. Bei Elektrolyt-Milch-Gemischen handelt es sich um hypertone Lösungen (höherer Salzgehalt als der Salzgehalt im Blut), bei deren Verfütterung ohne die Möglichkeit zur Wasseraufnahme eine Kochsalzvergiftung ausgelöst werden könnte. Natürlich kann die Gabe der Elektrolyttränke auch im Wechsel mit der Milchtränke erfolgen, d.h. die Kälber erhalten 3-5mal täglich 2 Liter in Wasser zubereitete Elektrolytlösung. Ob die Elektrolyte in Milch oder Wasser angeboten werden, sollte sich an den jeweiligen Fütterungsbedingungen des Betriebs orientieren. In einer Untersuchung auf dem Lehr- und Versuchsgut Köllitsch des Landes Sachsen konnten geringe, aber nicht statistisch signifikante Unterschiede in der Durchfalldauer bei erkrankten Kälbern in Abhängigkeit von dem Tränkeregime erkannt werden: Kälber, die ad libitum mit Milch ernährt wurden und zusätzlich in Wasser zubereitete Elektrolyttränke erhielten, hatten mit 4,7 Tagen die kürzeste Durchfallepisode. Kälber, die die Elektrolyte über die rationierte Milchtränke erhielten, waren 5 Tage erkrankt. Die dritte Tränkegruppe erhielt rationiert Milch und wasserbasierte Elektrolyttränke im Wechsel und hatte mit 5,7 Tagen die längste Durchfalldauer. Kein Tier musste per Dauerinfusion versorgt werden. Fazit der Untersuchung: Wie die Elektrolyte gegeben werden, ist eher nebensächlich; wichtig ist, dass überhaupt welche gegeben werden.

 

Durchfalldauer, Milch- und Wasseraufnahme sowie Gewichtszunahme während einer Durchfallperiode
Milch-ORL Wasser-ORL Milch a.l. + Wasser-ORL
Durchfalldauer (Tage) 5,00 ± 1,39 5,65 ± 2,23 4,68 ± 1,63
Milchaufnahme (L) 5,06a ± 1,07 4,80a ± 1,26 7,15b ± 2,13
Wasseraufnahme (L) 1,72a ± 1,19 0,95b ± 0,96 0,63b ± 0,73
Gewichtszunahme (g) 658 ± 324 474 ± 265 587 ± 390

(arithmetischer Mittelwert ± Standardabweichung)

4. Wasser auch für junge Kälber!

In der Untersuchung in Köllitsch wurde außerdem die Wasseraufnahme gesunder und durchfallkranker Kälber geprüft. Auch in den ersten Lebenstagen nehmen Kälber Wasser auf (s. Abb. 2), obwohl die Wassergabe an Kälber erst nach dem 14. Lebenstag gesetzlich fixiert ist (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung). Bekommen junge Kälber Durchfall, steigt die Wasseraufnahme signifikant an. Die höchste Wasseraufnahme zeigten Kälber, die die Elektrolyte über die Milchtränke erhielten, aber auch Kälber die ad libitum mit Milch getränkt wurden, nahmen Wasser auf (s. Tabelle 3).

Es ist wichtig, dass Kälber ab dem 1. Lebenstag Wasser zur freien Verfügung aufnehmen können. Durchfall tritt meist vor Erreichen des 14. Lebenstages auf. Sind Kälber ab dem 1. Lebenstag gewöhnt, Wasser aufzunehmen, können sie bei einer Durchfallerkrankung besser ihren Flüssigkeitshaushalt regulieren. Darüber hinaus nehmen Kälber, die frühzeitig Wasser zur freien Verfügung haben, mehr Kälberkorn auf und realisieren höhere Tageszunahmen.

 

Für weitere Informationen steht Ihnen unsere Tierärztin Dr. Lisa Bachmann zur Verfügung.

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